10 Jahre Erinnerungsort Topf & Söhne

Ein Logo mit dem Schriftzug "10 Jahre Erinnerungsort Topf & Söhne" und ein Foto von einem Gebäude.
Grafik: © Stadtverwaltung Erfurt/Boris Hajduković

2021 wird der Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz zehn Jahre alt. Wie soll die Erinnerungskultur angesichts eines zunehmenden Rechtsextremismus, Antisemitismus und anderer Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gestaltet werden und welchen Beitrag leistet der Erinnerungsort? Welche Erfahrungen an diesem noch jungen, gegen Widerstände erstrittenen Lern- und Gedenkort sind für die Zukunft wichtig?

Sein Jubiläum begeht der Erinnerungsort durch einen vielstimmigen Austausch zu diesen Fragen. Auf dieser Seite finden Sie alle Informationen, Veranstaltungen, Fotos und Videos.

10 Jahre Erinnerungsort Topf & Söhne: Geschichte erinnern – Gegenwart gestalten – Zukunft denken

Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Eröffnet wurde der Erinnerungsort Topf & Söhne am 27. Januar 2011, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Am 21. November 2007 hatte der Stadtrat Erfurt die Weichen dafür gestellt. Im damals einstimmig verabschiedeten Konzept heißt es:

Durch die Schaffung eines Erinnerungsortes in den Zeichensälen im früheren Verwaltungsgebäude nimmt die Stadt Erfurt ihre Verantwortung gegenüber der Geschichte wie auch gegenüber einer demokratischen und humanen Zukunft wahr. Sie trägt entscheidend dazu bei, dass das historische Wissen um die Mitbeteiligung der Firma Topf & Söhne am Holocaust pädagogisch fruchtbar gemacht werden kann. Durch die Sicherung des inzwischen massiv von Verwahrlosung und Verfall geprägten historischen Baus wird ein authentischer Ort und das ihm innewohnende, unersetzbare pädagogische Potenzial für die Auseinandersetzung mit den Fragen nach Arbeit, Technik und Verantwortung gerettet.

Auf der Basis dieses Beschlusses entstand unter maßgeblicher Förderung des Freistaats Thüringen und des Bundeskulturstaatsbeauftragten ein lebendiger Erinnerungsort mit internationaler Ausstrahlung. Als Lern-, Ausstellungs- und Begegnungsort leistet er auf exzellenter fachwissenschaftlicher Basis einen wesentlichen
Beitrag zur Tätergeschichte im Nationalsozialismus. Als historisch-politischer Lernort hat er ein herausragendes Potenzial, weil er vor dem geschichtlichen Hintergrund die für jeden Menschen relevante und oft unbequeme Frage nach der Verantwortung jedes und jeder Einzelnen im gewöhnlichen beruflichen Alltag stellt. Die vielfältigen Bildungsangebote sind im methodischen Anspruch innovativ, transkulturell und multiperspektivisch. Sie fördern ein kritisches Geschichtsbewusstsein und zeichnen sich durch einen dialogischen und partizipativen Zugang aus. Wichtig ist dem Erinnerungsort, auch Menschen mit Lernbehinderungen und Lernschwierigkeiten zu erreichen, die häufig von Bildungssettings ausgeschlossen sind. Die Präsenzangebote wurden 2020 durch neu entwickelte Online-Seminare erweitert.

Foto: Éva Fahidi-Pusztai beim Eintrag in das Goldene Buch der Landeshauptstadt Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ist für alle Mitglieder der Gesellschaft – egal, wo sie selbst oder ihre Vorfahren geboren wurden – von Bedeutung. Das Grundgesetz als Basis unserer offenen und solidarischen Gesellschaft wurde als Konsequenz aus dem nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen
geschaffen. Der Erinnerungsort hat sich deshalb in den letzten Jahren kontinuierlich mit den Bedarfen und Herausforderungen der (post-)migrantischen Gesellschaft auseinandergesetzt, um die Geschichtsvermittlung zum Nationalsozialismus für Menschen anderer Herkunft zu öffnen und auch für sie aktuelle lebensweltliche Anknüpfungspunkte zu schaffen.

In den zehn Jahren beleuchteten viele Sonderausstellungen und hunderte von Veranstaltungen wichtige Aspekte der nationalsozialistischen Geschichte und informierten über die Gefahren von Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Besonders berührend waren die Begegnungen mit den Überlebenden der nationalsozialistischen Verfolgung und Vernichtung. Zu einer wichtigen Wegbegleiterin wurde die ungarische Jüdin Éva Fahidi-Pusztai, die im Oktober 2020 ihren 95. Geburtstag beging. 59 Jahre sprach sie nicht darüber, dass die Nationalsozialisten ihre Familie ermordeten und ihr gesamtes bisheriges Leben zerstörten.

Als Jüdin wurde sie nach der deutschen Besetzung Ungarns mit ihrer Familie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort wurde sie am 1. Juli 1944 auf der Rampe von ihren Eltern, ihrer elfjährigen Schwester und weiteren Verwandten getrennt. Alle außer ihr wurden ermordet, insgesamt 49 Mitglieder der Großfamilie. Nach langem Schweigen ist sie heute eine unersetzbare und berührende Botschafterin der Menschlichkeit. Im November 2012 ehrte die Landeshauptstadt Erfurt Éva Fahidi-Pusztai mit einem Eintrag in das Goldene Buch der Stadt. Sie widmete ihre Worte den Überlebenden des Vernichtungslagers:

Denen die in Auschwitz-Birkenau im Schatten der hier hergestellten Krematorien mit der Aufschrift „Topf und Söhne Erfurt“ lebten, bleiben diese Zeiten in Erinnerung. Sie bleiben in uns als für die Ewigkeit brennende Gegenwart!

Éva

Videobotschaften

10 Videobotschaften von Wegbegleiter/-innen aus 10 Jahren Erinnerungsort Topf & Söhne

In den letzten zehn Jahren hat der Erinnerungsort Topf & Söhne Wegbegleiter/-innen und Unterstützer/-innen gefragt, warum dieser Ort für sie wichtig ist. Vom 18. bis 27. Januar finden Sie hier täglich eine neue Botschaft.

Videobotschaft von Prof. Dr. a. D. Hajo Funke, Freie Universität Berlin, Fachbereich Politik und Sozialwissenschaften

Video: 19.01.2021 10:00

"Also es geht in den innersten Kern der Hölle, den man hier sozusagen vorbereitet hat, Auschwitz möglich gemacht hat, durch die Effizienz der Verbrennungsöfen und die Effizienz der Entlüftungsanlagen. Und das Beeindruckende der Ausstellung ist, dass diese Effizienzsteigerung aus ideologischen, aber auch aus Aufstiegsmotiven hier rekonstruiert wird, das muss man sehen."

Videobotschaft von Dr. Ute Gebhardt, Filmemacherin

Video: 22.01.2021 10:00

"Ich bin als Erfurterin froh, dass es gelungen ist, Topf & Söhne zu einem Teil der Stadtgeschichte zu machen. Topf & Söhne ist kein schöner Ort, aber ein wichtiger."

Videobotschaft von Prof. Dr. Walter Pehle, ehemaliger Lektor S. Fischer Verlag

Video: 23.01.2021 10:00

"Mir ist die Denkstätte hier besonders deswegen aufgefallen, weil es hier ein paar Leute gibt, junge Frauen, die das Ding mit großem Eifer und mit Begeisterung hochgezogen haben und das bewundere ich sehr, weil ich weiß, wie viel Initiative und wie viel Energie dazu nötig ist."

Videobotschaft von Carsten Schneider, MdB

Video: 24.01.2021 10:00

"Für Erfurt war es eine sehr, sehr wichtige Entscheidung, sowohl der Stadt, als auch der Bevölkerung, diesen Erinnerungsort nicht nur auszugraben und die Geschichte herauszuholen, auch die unangenehmen Teile, die auch zu DDR Zeiten verdeckt wurden, offen zu legen, sondern eben auch eine Begegnungsstätte zu haben, in der junge Leute, aber auch andere Bevölkerungsgruppen, mit der Thematik arbeiten."

Videobotschaft von Antje Tillmann, MdB

Video: 25.01.2021 10:00

"Wie ist aus dem normalen Ingenieur, der sonst gut für seine Familie gesorgt hat, der Mittäter geworden? Damit das nicht wieder passiert, müssen wir die Frage vor uns selbst beantworten. Wir müssen rechtzeitig gegensteuern, zu einem Zeitpunkt, wo es noch nicht gefährlich ist aufzuschreien, zu sagen 'Ich mach da nicht mit'."

Videobotschaft von Bodo Ramelow, Ministerpräsident des Freistaats Thüringen

Video: 27.01.2021 10:00

"Deswegen müssen wir über den Alltag reden und wenn wir über den Alltag reden, erschließen wir uns die tatsächliche Dimension der NS-Zeit und der NS-Verbrechen als Alltagsverbrechen und als Bruch unserer Kultur. Deshalb ist der Ort Topf & Söhne so wichtig."

Wortmeldungen

Statements zu 10 Jahren Erinnerungsort Topf & Söhne (Teil 1)

Fotostrecke: 19.03.2021 15:35

Der Erinnerungsort Topf & Söhne wurde am 27. Januar 2011, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, eröffnet. Sein 10-jähriges Bestehen ist für ihn Anlass zu fragen: „Warum ist der Erinnerungsort für Sie/für Dich wichtig?“

Statements zu 10 Jahren Erinnerungsort Topf & Söhne (Teil 2)

Fotostrecke: 30.06.2021 11:25

Der Erinnerungsort Topf & Söhne wurde am 27. Januar 2011, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, eröffnet. Sein 10-jähriges Bestehen ist für ihn Anlass zu fragen: „Warum ist der Erinnerungsort für Sie/für Dich wichtig?“

Statements zu 10 Jahren Erinnerungsort Topf & Söhne (Teil 3)

Fotostrecke: 15.09.2021 12:16

Der Erinnerungsort Topf & Söhne wurde am 27. Januar 2011, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, eröffnet. Sein 10-jähriges Bestehen ist für ihn Anlass zu fragen: „Warum ist der Erinnerungsort für Sie/für Dich wichtig?“

Statements zu 10 Jahren Erinnerungsort Topf & Söhne (Teil 4)

Fotostrecke: 07.01.2022 15:23

Der Erinnerungsort Topf & Söhne wurde am 27. Januar 2011, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, eröffnet. Sein 10-jähriges Bestehen ist für ihn Anlass zu fragen: „Warum ist der Erinnerungsort für Sie/für Dich wichtig?“

Pressestimmen

MDR Kultur: 10 Jahre Erinnerungsort Topf & Söhne

Audio: 27.01.2021 11:00

In diesem Radiobeitrag sprechen die Oberkuratorin Dr. Annegret Schüle und die Gedenkstättenpädagogin Rebekka Schubert am 10. Jahrestag der Eröffnung über ihre Erfahrungen und die Perspektiven im Erinnerungsort Topf & Söhne.

Veröffentlichungen

Veranstaltungen

Online-Veranstaltung: 10 Jahre Erinnerungsort Topf & Söhne: Geschichte erinnern – Gegenwart gestalten – Zukunft denken

Veranstaltung: 27.01.2021 19:00 – 21:00

Der Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz wird 2021 zehn Jahre alt. Eröffnet wurde er am 27. Januar 2011, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Die Feierlichkeiten anlässlich des 10-jährigen Bestehens finden in diesem Jahr online statt.