Geschichte des Ortes
1878
J. A. Topf (1816-1891) gründet ein feuerungstechnisches Baugeschäft in Erfurt.
1889
Die Firma J. A. Topf & Söhne, Spezialgeschäft für Heizungsanlagen, Brauerei- und Mälzereieinrichtungen, erwirbt ein eigenes Firmengelände am Rande Erfurts (heute Gebiet zwischen Sorbenweg und Rudolstädter Straße).
1914
Die Firma hat über 500 Mitarbeiter. Sie beginnt in einer kleinen Abteilung mit dem Bau von Einäscherungsöfen für Krematorien und wird in den 20er Jahren zum Marktführer in dieser Branche.
1939
Ludwig und Ernst Wolfgang Topf, Geschäftsführer und Firmeninhaber in dritter Familiengeneration, beginnen damit, die SS mit speziell für die Konzentrationslager entwickelten Leichenverbrennungsöfen zu beliefern. Konstruiert werden sie von dem Ingenieur Kurt Prüfer.
1942
Im Wissen um den Massenmord mit Gas in Auschwitz reicht die Firma auf Initiative des Ingenieurs Fritz Sander einen Patentantrag für einen „kontinuierlich arbeitenden Leichenverbrennungsofen für Massenbetrieb“ ein.
1943
Die Großkrematorien im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau werden mit Öfen und Gaskammer-Lüftungstechnik aus Erfurt zu „Todesfabriken“ ausgerüstet. Die Lüftungsanlagen entwickelt der Ingenieur Karl Schultze.
1945
Topf & Söhne arbeitet im Februar daran, mit den in Auschwitz-Birkenau demontierten Anlagen der Todesfabriken ein neues Vernichtungszentrum in der Nähe des KZ Mauthausen zu errichten.
Im April unterstützt der neugewählte Betriebsrat aus Kommunisten und Sozialdemokraten die Rechtfertigung der Firmenleitung, dass es sich bei den Ofenlieferungen um eine gewöhnliche Geschäftsbeziehung gehandelt habe.
Am 31. Mai begeht Ludwig Topf aus Angst vor seiner Verhaftung durch die US-Armee Selbstmord. Ernst Wolfgang Topf reist in die westlichen Besatzungszonen und wird nach dem Besatzungswechsel durch die sowjetische Armee an seiner Rückkehr gehindert.
1946
Verhaftung von Kurt Prüfer, Fritz Sander, Karl Schultze und Betriebsdirektor Gustav Braun durch die sowjetische Armee. 1948 Verurteilung in Moskau zu jeweils 25 Jahren Lagerhaft wegen Unterstützung der SS beim Völkermord.
1947
J. A. Topf & Söhne wird landeseigener Betrieb.
1948
Die Firma wird volkseigen und in Topfwerke Erfurt VEB umbenannt. Sie wird der VVB NAGEMA angegliedert. Das Leitungspersonal ist dasselbe wie vor 1945, abgesehen von den Brüdern Topf und den verhafteten Ingenieuren.
1951
Ernst Wolfgang Topf gründet in Wiesbaden die Firma J. A. Topf & Söhne neu und spezialisiert sich auf den Bau von Krematoriums- und Abfallvernichtungsöfen. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen ihn werden eingestellt. 1954 verlegt er die Firma nach Mainz.
1952
Umbenennung des Erfurter Betriebs in NAGEMA VEB Maschinenfabrik „Nikos Belojannis“ nach einem griechischen Kommunisten, der bis zu seiner Flucht 1943 Häftling in einem deutschen KZ in Griechenland war.
1955
Der Bereich Krematoriumsofenbau bei „Nikos Belojannis“ wird aufgelöst.
1957
Umbenennung in VEB Erfurter Mälzerei- und Speicherbau (EMS), die Produktion industrieller Feuerungsanlagen wird ganz aufgegeben.
1963
Konkurs der Firma J. A. Topf & Söhne von Ernst Wolfgang Topf in Mainz.
1993
Die EMS in Erfurt wird privatisiert. Jean-Claude Pressac, Verfasser eines Buches über die Krematorien von Auschwitz, übernimmt wesentliche Teile des Firmenarchivs und verbringt sie nach Paris.
1996
Konkurs der EMS GmbH
1999
In Erfurt gründet sich der Förderkreis Topf & Söhne. Er fordert ein Forschungsprojekt zur Betriebsgeschichte von J. A. Topf & Söhne und tritt dafür ein, das ehemalige Verwaltungsgebäude der Firma für Ausstellungs- und Dokumentationszwecke sowie pädagogische Angebote zu nutzen.
2001
Ein Teil der Firmenbrache wird besetzt, um ein autonomes Kulturzentrum zu betreiben. Das „Besetzte Haus“ führt neben soziokulturellen Projekten auch Veranstaltungen und Führungen zur Geschichte von Topf & Söhne im Nationalsozialismus durch.
2002
An der Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar beginnt ein Forschungsprojekt zu Topf & Söhne, finanziert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
2003
Das Thüringische Landesamt für Denkmalschutz weist das Verwaltungsgebäude als Kulturdenkmal aus und schlägt eine Nutzung für die Darstellung und Aufarbeitung der Geschichte vor. Mehrere Produktionsgebäude erhalten ebenfalls Denkmal-Status. Im Falle von Abbruch und Neubebauung ist ihr Ort durch eine Markierung zu kennzeichnen.
2005
Die internationale Wanderausstellung „Techniker der ‚Endlösung’. Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz“ der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora wird im Jüdischen Museum in Berlin eröffnet.
Der Erfurter Oberbürgermeister Manfred O. Ruge und der Direktor der Stiftung Buchenwald und Mittelbau-Dora, Prof. Dr. Volkhard Knigge vereinbaren, die Ausstellung nach ihrer Wanderung als Kern des Erinnerungsortes auf Dauer im ehemaligen Verwaltungsgebäude von Topf & Söhne in Erfurt zu zeigen. Die Stadt finanziert die Erarbeitung eines Nutzer- und Betreiberkonzeptes und einer pädagogischen Konzeption für den Erinnerungsort.
2007
Der Erfurter Stadtrat beschließt einstimmig, im ehemaligen Verwaltungsgebäude der Firma Topf & Söhne einen Erinnerungsort zu schaffen und zu betreiben.
2008
Die Domicil Hausbau GmbH & CO KG in Mühlhausen/Thüringen wird Eigentümerin des ehemaligen Firmengeländes von Topf & Söhne und damit Partnerin für die Stadt Erfurt beim Aufbau des Erinnerungsortes und zukünftige Vermieterin der Räume im Verwaltungsgebäude und der Außenanlagen. Für das Gebiet erstellt die Stadt einen neuen Bebauungsplan, der sowohl die Nutzung des Verwaltungsgebäudes und seines Vorplatzes als Erinnerungsort festschreibt wie auch die Errichtung eines Fachmarktzentrums und Wohnungen durch den Investor ermöglicht.
Das Kultusministerium des Freistaates Thüringen und der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien bewilligen eine Fördersumme von insgesamt 1 Mio. Euro für den Aufbau des Erinnerungsortes.
2009
Im Januar scheitern die Verhandlungen zwischen der Stadt Erfurt und dem „Besetzten Haus“ über eine räumliche Alternative für das autonome Kulturzentrum. Ein städtisches Ausweichangebot wird vom „Besetzten Haus“ ausgeschlagen. Der Eigentümer, der zunächst durch eine mehrmonatige Fristverlängerung eine einvernehmliche Lösung ermöglichen wollte und sich keine Bauverzögerung mehr leisten kann, erwirkt ein Räumungsurteil beim Landgericht und lässt das „Besetzte Haus“ am 16. April durch die Polizei räumen.
Das Verwaltungsgebäude wird durch ein neues Dach und neue Fenster vor dem weiteren Verfall geschützt.
2010
Im ehemaligen Verwaltungsgebäude beginnt der Innenausbau für den Erinnerungsort.
2011
Der Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz wird am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, in Erfurt eröffnet.