Zusammen mit den Akten der SS-Zentralbauleitung in Auschwitz und den Verhörprotokollen aus Moskau bildet das Firmenarchiv von Topf & Söhne die Grundlage für die wissenschaftlichen Recherchen zur Ausstellung. Es ist erst seit 2004 der Öffentlichkeit wieder zugänglich. Zuvor waren große Teile seiner Akten in den Besitz von Jean-Claude Pressac gelangt, der sich als Erster mit der Konstruktionsweise der Krematorien beschäftigt hatte. Als ehemaliger Holocaust- Leugner kam er zum Schluss, dass der Massenmord in den Krematorien von Auschwitz sowohl technisch möglich war als auch stattgefunden hat. In der Ausstellung werden die Dokumente aus Auschwitz und Moskau sowie die internen Schriftstücke aus dem Topf-Archiv gezeigt und in ihrer Bedeutung entfaltet.
Die in der Ausstellung deutlich werdende vorbehaltlose Zusammenarbeit von Topf & Söhne mit der SS irritiert in besonderer Weise. Denn weder die Firmeninhaber noch die beteiligten Mitarbeiter entsprechen dem Bild fanatischer Nationalsozialisten oder radikaler Antisemiten. Sie waren weder nur "Rädchen im Getriebe" noch bloße "Schreibtischtäter". Zudem handelten sie nicht auf Befehl und nicht unter Zwang und sie wussten genau, wozu die von ihnen entwickelte Technik diente. Die Geschäftsbeziehungen zur SS hätten ohne gravierende Konsequenzen abgebrochen oder eingeschränkt werden können.
Um mitzumachen, reichte es offenbar aus, dass Massenmord und industrielle Vernichtung staatlich gewollt waren, Einzelne im Unternehmen davon profitierten und dass es um technische Herausforderungen ging, die den Ehrgeiz der Ingenieure anstachelten. Aus dem Verzicht auf Mitmenschlichkeit gegenüber jenen, die die Nationalsozialisten ausgrenzen und vernichten wollten, wurde die Mittäterschaft an den Massenverbrechen.
J. A. Topf & Söhne, Erfurt – ein deutsches Unternehmen
Als in Auschwitz und den anderen deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern Millionen Menschen ermordet wurden, standen die Mörder vor technischen Problemen. Tötung und Leichenbeseitigung sollten ohne Unterbrechung, kostengünstig und Brennstoff sparend vonstattengehen und möglichst wenig Spuren hinterlassen. Um dies zu bewerkstelligen, war die SS auf zivile Experten angewiesen, die keine Skrupel hatten, sich in die praktischen Probleme der Vernichtung hineinzudenken und entsprechende Lösungen zu entwickeln. Die Erfurter Firma J. A. Topf & Söhne hat dabei eine entscheidende Rolle gespielt. Die Geschichte dieses ganz normalen Unternehmens wird in der Ausstellung erzählt. Sie beginnt Ende des 19. Jahrhunderts und führt bis in die Krematorien von Auschwitz.
Ein Familienunternehmen
1878 gründete der Erfurter Braumeister Johannes Andreas Topf ein feuerungstechnisches Baugeschäft. Unter der Leitung seiner Söhne wurde das Unternehmen zu Beginn des 20. Jahrhunderts einer der weltweit größten Hersteller von Brauereitechnik. 1914 stieg der Betrieb in einen neuen Markt ein und begann, Einäscherungsanlagen für städtische Krematorien zu bauen. Wenngleich diese Spezialöfen für die Firma stets nur ein kleiner Nebenzweig blieben, konnte sie sich doch schon bald als Marktführerin für Krematoriumsöfen in Deutschland etablieren. Die Anlagen von Topf & Söhne setzten neue Standards für die pietätvolle Feuerbestattung.
Die Brüder Topf
Ludwig und Ernst Wolfgang Topf traten Anfang der 30er Jahre in den vom Großvater gegründeten Betrieb ein. Mittels lukrativer Aufträge für ein Speicherbauprogramm des Heeres konnten sie die durch die Weltwirtschaftskrise angeschlagene Firma konsolidieren. Aus den Aufträgen der SS – sie machten weniger als 2 % des Umsatzes aus – schlugen sie wenig Gewinn. Ludwig Topf gelang es 1941, sich seinem Dienst in der Wehrmacht mit Hilfe der SS in Auschwitz zu entziehen. Nach dem Krieg verübte er Selbstmord. Ernst Wolfgang Topf ging in den Westen und versuchte dort, J. A. Topf & Söhne durch den Bau von Krematoriums- und Abfallvernichtungsöfen weiterzuführen.
Die Ingenieure
Im Betrieb waren die Brüder Topf auf die langjährigen Erfahrungen ihrer Abteilungsleiter und Ingenieure angewiesen. Diese entwickelten die Topf’schen Spezialanlagen, welche anschließend in den hauseigenen Werkstätten produziert wurden. Zwischen der Firmenleitung und dem Ofenbau-Ingenieur Kurt Prüfer gab es Spannungen, da er mit Gehalt und Status unzufrieden war und ihm eine Führungsverantwortung nicht zugetraut wurde. Er war es, der von 1939 an die Geschäftspartnerschaft von Topf & Söhne und der SS vorantrieb. Als einer der vier Ingenieure, die 1946 von sowjetischen Behörden verhaftet und verurteilt wurden, starb er 1952 im Gulag.
Das KZ-Geschäft: Mitwisser und Mittäter im Unternehmen
Mitwisserschaft und Mittäterschaft haben trotz aller Vertuschungsbemühungen Spuren hinterlassen. Sie finden sich, teils versteckt, in den Dokumenten der Ausstellung. Geschäftsleitung, Ingenieure und Monteure lieferten gemäß den Anforderungen der SS nicht nur Verbrennungsöfen für die Beseitigung der ermordeten Menschen – sie perfektionierten auch die Gaskammern. Dazu war es nötig, die ersten Massentötungen und Verbrennungen in den Krematorien zu beobachten. Die beteiligten Mitarbeiter nutzten ihre Erfahrungen zur Optimierung der Vernichtungsanlagen.
Zeugnisse aus den Todesfabriken
Als Zeugen des Massenmordes versuchten Häftlinge schon vor der Befreiung von Auschwitz, Zeugnisse zu hinterlassen. Berichte von Angehörigen der Sonderkommandos, die gezwungen waren, in den Krematorien zu arbeiten, dokumentieren die Abläufe von Massenmord und Leichenbeseitigung aus eigener Anschauung. Sie bezeugen, was den Menschen dort angetan wurde. Zugleich bestätigen sie die Bedeutung, die Topf & Söhne für die Perfektionierung der industriell betriebenen Vernichtung hatte.
Topf & Söhne als Partner der SS: Initiativen und Vorteile
Die Vernichtung von Menschen war im Nationalsozialismus keine vorübergehende Erscheinung. Sie war, so erkannte man bei Topf & Söhne, offensichtlich auf Dauer und Ausweitung angelegt. Auf eigene Initiative erfanden Ingenieure der Firma noch effizientere Vorrichtungen zur Beseitigung von immer mehr Menschen und eilten mit ihren Entwürfen den Anforderungen der SS voraus. Die dadurch erzielten Vorteile waren bescheiden und auf einzelne Beteiligte beschränkt.
Nach dem Krieg: Spuren sichern – Erinnern – Leugnen
Um die Spuren der Verbrechen zu verwischen, sprengte die SS im Januar 1945 die Krematorien von Auschwitz-Birkenau. Aber die Trümmer blieben und bezeugten den Massenmord. Die Überreste der Krematorien wurden schon bald symbolisch zu Grabmalen und Gedenksteinen. Die Firmenleitung von Topf & Söhne sowie die beteiligten Mitarbeiter stritten jede eigene Schuld und Mitverantwortung an den Verbrechen ab, die SS wurde als allein schuldig dargestellt. Im DDR-Folgebetrieb versuchte man, jede Mitverantwortung auf die kapitalistischen Firmeneigentümer abzuwälzen.