Grußwort von Dr. Tobias J. Knoblich zu "10 Jahre Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz"
10 Jahre Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz
Die Stadt Erfurt ist stolz auf den Erinnerungsort Topf & Söhne, der ein schwieriges Kapitel deutscher Geschichte sensibel, wirksam und international vernetzt verhandelt. Dabei ist er zunächst durch zivilgesellschaftliches Engagement errungen worden, also keine Selbstverständlichkeit auf der Landkarte unserer Erinnerungskultur. Er musste enttabuisiert, aber gleichzeitig auch der Verdrängung entwunden werden. Tat sich die Kommunalpolitik anfangs recht schwer, einen industriellen Täterort dauerhaft zu markieren und damit Verantwortungslosigkeit, die von Erfurt ausging, sichtbar zu halten, herrscht heute Einigkeit, dass es richtig und notwendig war, diesen Bildungsort zu etablieren.
Zusehends verstummen die Zeugen der Shoah, verschwindet die Generation der Überlebenden mit ihren berührenden Berichten und Lebenszeugnissen, die von großer Überzeugungskraft sind. An ihre Stelle tritt das professionelle Bewahren ihrer Schicksale, der moralische Imperativ einer informierten und empathischen Gesellschaft, um das Vergessen, das Relativieren der Verbrechen der Nationalsozialisten oder gar einen erneuten Zivilisationsbruch zu verhindern. Hierbei leistet der Erinnerungsort Topf & Söhne seit nunmehr zehn Jahren einen sehr gewichtigen Beitrag. Ich habe großen Respekt vor dieser Etablierungsleistung, die nur möglich wurde, weil hier konkrete Menschen mit hoher Professionalität, Einfühlungsvermögen, Kommunikationsgeschick und pädagogischer Innovationskraft tätig geworden sind. Unter Leitung von Frau Dr. Annegret Schüle hat sich an diesem stadttopografisch etwas abseitigen, von "Laufpublikum" kaum frequentierten Ort ein international wahrgenommener und vernetzter Kompetenzknoten entwickelt. Geht es hier im Kern um das Verhältnis von Industrie und Holocaust, um Wirtschaftsethik und die Folgen des eigenen beruflichen Handelns, hat sich darüber hinaus ein vielfältiges Veranstaltungs- und Bildungsprogramm etabliert, das sich in das hochrangige Netzwerk von Gedenkstätten und Bildungsorten zum Thema Nationalsozialismus einordnet.
Zugegebenermaßen war ich auf meiner ersten Pressekonferenz seinerzeit als neuer Kulturdirektor der Stadt skeptisch, als ich die Eröffnung dieses Erinnerungs- und Lernortes mit verkünden durfte. Wie würde sich dieses karge ehemalige Verwaltungsgebäude mit kleiner Dokumentensammlung und ansonsten eher leeren Gängen zu einem lebendigen, abwechslungs- und spannungsreichen Diskursraum entwickeln? Worin bestünde sein Platz in den Jahresprogrammen der Stadt? Wer würde ihn besuchen oder mit uns kooperieren? Und wie würden die überlebenden Opfer des Holocaust und ihre Organisationen auf diesen Ort und unseren Umgang mit ihm reagieren? Auf all diese Fragen könnte ich ausführliche und vor allem positive Antworten geben. Mit einem Wort: Der Erinnerungsort hat die Erwartungen bei weitem übertroffen. Er wird genutzt, geschätzt, gelobt und – dringender denn je – gebraucht, betrachten wir etwa die Identitätspolitik der neuen Rechten, die Rolle der Populisten auf der ganzen Welt und ihre gefährliche Politik der einfachen Antworten und den erstarkenden Antisemitismus in Deutschland. Der Erinnerungsort Topf & Söhne verbindet uns und unser Handeln mit den niemals zu vergessenden Gräueltaten des sog. Dritten Reiches, er hält uns an, nachzudenken, Würde und Anstand zu bewahren und Anzeichen von Menschenhass, Diffamierung und gefährlichen Egoismen zu erkennen.
Dr. Tobias J. Knoblich
Beigeordneter für Kultur und Stadtentwicklung
der Landeshauptstadt Erfurt