Jana und Sophie-Marie: Zwei persönliche Erfahrungsberichte zur FSJ-Halbzeit
In meiner Einsatzstelle, dem Erinnerungsort Topf und Söhne in Erfurt, gibt es neben unserer Chefin Dr. Annegret Schüle, die Gedenkstättenpädagogin Rebekka Schubert, Sophie Eckenstaler, deren Themengebiet hauptsächlich das Projektmanagement der Wanderausstellung ist, noch eine andere Freiwillige, Sophie-Marie Hohmann. Das harmonische Arbeitsklima hat es uns erleichtert, uns schnell zurechtzufinden und wir wurden ab dem ersten Tag als vollwertige Arbeitskolleginnen aufgenommen, was ein wirklich schönes Gefühl ist, auf jeden Fall besser als "die Neuen" zu sein, die nur Kaffee kochen dürfen.
Wir sind also ein sehr kleines Team, was unsere Aufgabenbereiche sehr variieren lässt. Eine wichtige Aufgabe ist zum Beispiel die Besucheranfragen anzunehmen, das heißt wenn Leute entweder eine Führung durch die Dauer-und/oder Sonderausstellung oder eins von vielen angebotenen Projekten buchen wollen, nehme ich die Anfragen auf, trage sie im Kalender ein und frage für diese dann die Guides an. Des Weiteren bin ich für unsere Bibliothek verantwortlich. Allerdings hat sich bis jetzt noch keiner der Besucher dafür wirklich interessiert, weshalb ich meistens nur Bücher einsortiere oder sie bestell. Die meisten meiner Aufgaben sind monatlich durchzuführen. Dazu gehören zum Beispiel die Besucherzahlen einzutragen und auszuwerten, die Spendenboxen auszuzählen, Besuchernotizen zu dokumentieren und die Abrechnung unseres Bookshops. Bei Veranstaltungen oder Projekten bereiten Sophie und ich immer die Räume vor und sie übernimmt dann die Technik und ich mache meistens Fotos oder den Bücherverkauf bei Buchvorstellungen. Zusammen wechseln wir auch Glühbirnen und hospitieren bei Führungen und Projekten. Wir beide haben schon kleine Teile von Führungen übernommen und Sophie auch schon mehrere alleine.
Durch die Arbeit im Erinnerungsort lernt man viele tolle neue Menschen kennen. Gerade durch Veranstaltungen, wie eine Ausstellungseröffnung oder Buchvorstellungen bekommt man neue Eindrücke und Erfahrungen. Man lernt Holocaust-Überlebende kennen und kann mit ihnen ins Gespräch kommen. Ende Januar kam uns die Auschwitz-Überlebende Eva Schloss im Erinnerungsort besuchen. Wir hatten zwei Veranstaltungen und ein lebensgeschichtliches Interview mit ihr geplant und haben uns schon sehr darauf gefreut. Bei der ersten Veranstaltung haben Sophie und ich vor fast 200 Menschen ein paar Ausschnitte aus ihrem Buch vorgelesen, was uns eine große Ehre war. Danach hatte man die Chance ihr Fragen zu stellen. Am nächsten Tag haben Sophie Eckenstaler und ich mit ihr das Interview durchgeführt, bei dem ich für die Kamera verantwortlich war. Dieses Interview war so bewegend, wenn man dieser Frau zuhört erkennt man wie stark sie ist und trotz dieser schrecklichen Vergangenheit nach vorne blickt, es war wirklich bewegend. Am Abend zeigten wir den Film "Kein Asyl - Anne Franks gescheiterte Rettung" bei dem es den Besuchern und auch mir die Sprache verschlagen hat. Wieder konnte man Eva Schloss fragen stellen, doch nach diesen Szenen gab es nur noch eine bedrückende Stimmung in diesem Raum und die Besucher brauchten erst ein paar Minuten um sich zu fassen und für Fragen bereit zu sein.
Anfang Dezember war die Ausstellungseröffnung von "Un-er-setz-bar" in Berlin und ich bin mit meiner Chefin Annegret und dem Zeitzeugen Wolfgang Nossen mit dem Auto hin und mit Sophie danach auch wieder zurück gefahren. Dort haben wir auch Éva Pusztai kennengelernt, eine wunderbare Frau. Von ihr habe ich auch schon ein Interview transkribiert, was mir bei Eva Schloss noch bevorsteht.
Solche Treffen, Veranstaltungen und Momente sind immer ein Höhepunkt, ich bin froh diese Chancen nutzen zu können und bin wirklich glücklich diese Erfahrungen zu machen.
Natürlich gibt es hier auch Aufgaben, die man lieber macht als andere, aber alle sind wichtig und vor allem durch die Atmosphäre hier überhaupt nicht langweilig oder stumpf.
Zurzeit arbeite ich mit Sophie an einem Projekt bei dem wir min. drei Filmvorführungen im Erinnerungsort planen zu denen wir auch ein kleines Rahmenprogramm erstellen werden. Alle unterstützen uns dabei und geben uns neue Anreize und Vorschläge. Die Zusammenarbeit in der Einsatzstelle läuft wirklich gut. Man hat immer ein offenes Ohr für Fragen, Vorschläge oder einfach irgendwelche Anliegen für uns.
Bis jetzt fanden schon zwei der vier Bildungsseminare statt, und sie sind immer wieder ein unglaubliches Erlebnis. Ich habe viele neue Menschen kennengelernt mit denen ich mich sofort super verstand. Bei der ganzen Gruppe, den Betreuern und den Unterkünften hat man immer eine tolle Atmosphäre. Es war immer gute Laune, die Workshops waren sehr informativ und es war eine lockere Stimmung, die das alles sehr angenehm gemacht hat. Mit ein paar Leuten habe ich mich sogar so gut verstanden, dass die Verabschiedung uns wirklich schwer gefallen ist und wir uns alle unglaublich auf nächste Seminar im Januar freuen. An der pädagogischen Betreuung der LKJ ist einfach nichts auszusetzen. Man fühlt sich gut aufgehoben, es sind sehr nette Menschen, denen es wirklich wichtig ist, dass wir ein erfolgreiches FSJ haben, uns dabei weiterbilden und Spaß dabei haben. Sie organisieren alles wunderbar, da kann man echt nicht meckern.
Bei der Gestaltung meiner Bildungstage habe ich noch nicht wirklich eine Vorstellung. Einen Sprachkurs zu belegen fände ich wirklich interessant, andererseits wären mir nur zwei Tage dafür zu wenig. Ein Tag an einer Hochschule wäre auch informativ, nur bezweifle ich, dass ich da eine Fachrichtung finde, die mich anspricht. Allgemein bin ich immer noch sehr ratlos, wie es nach dem FSJ weitergeht, was auch die Auswahl für die Bildungstage schwieriger macht. Vielleicht mach ich auch einfach einen Kochkurs, den hätte ich dringend nötig.
Das Schwierige ist, dass ich einige Möglichkeiten hätte, wie ich meine Zukunft nach dem freiwilligen Jahr gestalte. Ich könnte mein Abitur nachholen, eine Ausbildung machen oder auf eine Fachhochschule gehen, da ich nach dem FSJ meine Fachhochschulreife bekomme. Ich bin mir nicht sicher wie ich mich entscheiden werde, allerdings habe ich durch meine jetzigen Erfahrungen festgestellt, dass ein Beruf in der Pädagogik oder allgemein nur als Guide wirklich etwas für mich wäre, allerdings erst im späteren Alter, vielleicht mit 50 oder so.
Alles in allem kann ich aber trotzdem sagen, dass die Entscheidung ein Freiwilliges Jahr, gefördert durch die LKJ und dann noch in so einem besonderen Erinnerungsort, zu machen, eine der besten Entscheidungen bis jetzt in meinem Leben war. Ich bin mir sicher meine berufliche Orientierung wird sich noch im Laufe des Jahres ändern und erweitern aber vor allem hat mich das FSJ durch die neuen Erfahrungen und Menschen beeinflusst, was mich fast glücklicher macht. Ich möchte mich nämlich eigentlich mehr auf einer menschlichen Ebene weiterentwickeln und dieses Jahr nicht nur aus beruflichen Gründen absolvieren. Ich hätte nicht damit gerechnet so eine tolle Zeit zu haben und so in meinem neuen, kurzzeitigen Beruf geschätzt zu werden. Meine Erwartungen und Vorstellungen wurden wirklich übertroffen und ich hoffe auf noch viele weitere tolle Ereignisse.
Jana
Mein Freiwilliges Soziales Jahr Kultur verbringe ich am Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz. Unser Team bestand zu Beginn des Freiwilligen Jahres aus sechs Mitarbeiterinnen, da allerdings Verena Bunkus ihr Volontariat am Erinnerungsort abgeschlossen hat, sind wir nun zu fünft. Zusammen mit Dr. Annegret Schüle, Kuratorin des Erinnerungsorts, Rebekka Schubert, Pädagogin der Gedenkstätte, Sophie Eckenstaler, Projektmanagerin der Internationalen Wanderausstellung und meiner Mit-Freiwilligen Jana Rottorf bilden wir damit ein vergleichsweise kleines Team. Für mich persönlich war diese Tatsache aber schon ein wesentlicher Pluspunkt für den Erinnerungsort im Bewerbungsverfahren. Denn das Arbeitsklima ist gerade aus diesem Grund sehr vertraut und kommunikativ. Tatsächlich war ich von Anfang an angenehm überrascht, wie freundlich wir empfangen wurden und wie geschätzt wir sind. Wir Freiwilligen sind fester Bestandteil im Team, was natürlich auch viel Verantwortung mit sich bringt, die ich aber gerne annehme.
Meine Aufgaben sind, im Gegensatz zu Janas, eher von Diskontinuität geprägt. Wenn ich mich an meinem Büroplatz befinde, bin ich für Post und Rechnungen verantwortlich. Zudem springe ich auch ab und zu bei den Besucheranfragen ein.
Im Zuge der Öffentlichkeitsarbeit kümmere ich mich im ganzen Haus um Flyer, Plakate und Publikationen, verteile aber auch viele Werbemittel in der Stadt. Bei solchen Stadtrunden schaue ich auch oft an städtischen Ämtern vorbei und bringe Dokumente vorbei oder nehme neue mit.
Außerdem betreue ich bei Veranstaltungen die Technik und kümmere mich gegebenenfalls um die Verpflegung. Aber auch die Vorbereitung des Veranstaltungsortes oder das anschließende Aufräumen werden von Jana und mir erledigt. Am meisten arbeite ich allerdings auf Zuruf, gerade mit Frau Dr. Schüle. Aber auch das macht meistens sehr viel Spaß, da ich mich hierbei gut einbringen kann.
Am meisten Freude bereitet es mir, Führungen durch den Erinnerungsort zu geben. Dafür habe ich bereits über einen Monat an meiner Führungskonzeption gearbeitet und konnte auch schon erste Erfahrungen mit Gruppen sammeln. Natürlich haben wir schon viel bei Führungen von Frau Schubert oder externen Guides hospitiert, um uns selber das Wissen anzueignen. Gewiss werden auch einige Gruppen dabei sein, deren Interesse an der Thematik weniger vorhanden ist oder sogar fehlt. Trotzdem freue ich mich sehr darauf, ihnen vielleicht einen neuen, interessanten Blickwinkel auf die Geschichte, speziell auf die der Firma Topf & Söhne, zu geben. Für mich persönlich ist die historisch-politische Bildungsarbeit wirklich wichtig und ich bin mir sicher, dass ich für mich selbst noch einiges dazulernen werde, worauf ich mich sehr freue.
Als eigenes, arbeitsbezogenes Projekt plane ich, ein "Freiwilligen-Lexikon" für unsere Nachfolger/-innen anzufertigen, bei dem nicht nur unsere einzelnen Aufgaben erklärt werden, sondern beispielsweise auch Wegweiser zu Dokumenten, die sich in den Tiefen unserer Computer befinden, zu geben. Uns ist nämlich gleich zu Beginn des Jahres aufgefallen, dass es hier einiges an "FSJler-Wissen" gibt, was von den Freiwilligen an ihre Nachfolger/-innen weitergeben wird, unsere Mitarbeiterinnen aber selten erfahren.
Seitdem ich davon erfahren hatte, wollte ich gern ein eigenverantwortliches Projekt für den "Tatort-Kultur-Wettbewerb" der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen planen und durchführen. Allerdings hatte ich keine guten und vor allem neuen Ideen, da ich auf keinen Fall ein Projekt meiner Vorgänger/-innen nachahmen wollte. Weil wir aber nun bald einen neuen Projekt- und Filmsaal erhalten sollen, kam uns gemeinsam mit dem Team die Idee für eine Filmreihe, zur Einweihung des Saals. Den Film "Wir sind die Juden aus Breslau" haben wir hierfür als Eröffnungsfilm vorgesehen und planen im Anschluss ein Zeitzeugengespräch mit Herrn Wolfgang Nossen, langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde in Thüringen. Er wuchs als jüdischer Junge in Breslau auf, entkam dort knapp der Ermordung durch die Nazis und floh 1945 mit seiner Familie nach Kriegsende nach Deutschland. Auch die beiden weiteren Filme sind schon geplant: "Son of Saul" und "#My Escape / Meine Flucht". Nun liegt es an uns, die Rahmenprogramme zu planen und uns um die Öffentlichkeitsarbeit zu kümmern.
Besonders dankbar bin ich für die Begegnungen mit Überlebenden, die leider auf Grund ihres hohen Alters immer seltener werden. Beispielsweise durften wir im Dezember letzten Jahres an der Eröffnung unserer Wanderausstellung "Un-er-setz-bar" in Berlin teilnehmen. Die Ausstellung portraitiert unterschiedlichste Überlebende der nationalsozialistischen Vernichtung. Besonders das Podiumsgespräch, bei welchem die Überlebenden Éva Pusztai, Günter Pappenheim und Wolfgang Nossen ihre Geschichte erzählten, war äußerst eindrücklich und bewegend.
Einen weiteren Höhepunkt stellte der 27. Januar für uns da, an dem jährlich der Opfer des Nationalsozialismus gedacht wird. Vormittags durften wir an der Gedenkstunde im Thüringer Landtag teilnehmen, bei der ebenfalls Überlebende zu Gast waren. Sie erzählten von ihrem Schicksal und setzten ein klares Zeichen gegen Rassismus und Ausgrenzung. Der Besuch von Eva Schloss stellte den Höhepunkt des Tages für uns da. Sie wurde gemeinsam mit ihrer Familie an ihrem 15. Geburtstag in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und überlebte gemeinsam mit ihrer Mutter das unvorstellbar Schreckliche. Ihr Vater und ihr Bruder überlebten die Todesmärsche nicht. Später heiratete Evas Mutter Otto Frank, den Vater von Anne Frank.
Die durchweg positive Art und die enorme Stärke, die Eva Schloss trotz ihres nun hohen Alters ausstrahlte, haben mich wirklich tief beeindruckt. Obwohl sie derart Schreckliches erleben musste, hat sie trotzdem den Mut und die Kraft, ihre Geschichte zu erzählen und vor allem uns jüngeren Menschen eine klare Botschaft mitzugeben. Sie ist für mich wirk-lich eine sehr bewundernswerte Frau!
Alles in allem bin ich sehr froh über die Entscheidung, ein Freiwilliges Soziales Jahr Kultur zu machen. Besonders freue ich mich auf die Eröffnung der Internationalen Wanderausstellung "Industrie und Holocaust" des Erinnerungsortes in der Gedenkstätte Auschwitz, an der wir gemeinsam vor Ort teilnehmen werden.
Die Zusammenarbeit mit meinen Mitarbeiterinnen hatte ich mir wirklich nicht so gut vorgestellt und ich bin froh darüber, die Chance bekommen zu haben, für ein Jahr an diesem besonderen Ort arbeiten zu dürfen.
Sophie-Marie