Sabine Philipp: Begrüßung zur Eröffnung der Ausstellung "Industrie und Holocaust" im Stadtmuseum am Markt in Wiesbaden
Sabine Philipp, Direktorin Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
ich freue mich sehr, dass Sie heute Abend in so großer Zahl unserer Einladung zur Eröffnung der Sonderausstellung „Industrie und Holocaust: Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz“ gefolgt sind.
Als erstes möchte ich ganz herzlich unsere Gäste aus Thüringen begrüßen:
Frau Kathrin Hoyer, Kulturdezernentin der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt – in Vertretung des Oberbürgermeisters Bausewein: Seien Sie herzlich willkommen! Die Landeshauptstadt Erfurt hat den Prozess der Aufarbeitung der Firmengeschichte Topf & Söhne unterstützt und damit möglich gemacht! Ohne die Unterstützung der Politik sind Projekte wie diese hier nicht möglich!
Frau Dr. Annegret Schüle: Sie widmet sich als Historikerin seit 2002 der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Firmengeschichte von Topf & Söhne und der damit verbundenen Frage nach den Zusammenhängen von Wirtschaftsunternehmen und Holocaust im NS-Regime. Keiner hat wie Sie die Dokumente der Firma hinterfragt und aufgearbeitet, akribisch geforscht. Frau Dr. Schüle war maßgeblich an der wissenschaftlichen Gestaltung und Einrichtung des Erinnerungsortes Topf & Söhne in dem ehemaligen Verwaltungsgebäude des Unternehmens beteiligt. Das Museum wurde 2011 eröffnet. Man darf mit Sicherheit sagen, dass ihr ganz persönliches Engagement dem „Erinnern für Gegenwart und Zukunft“ gilt! Ihr Einführungsvortrag heute Abend wird Ihnen auch einiges über die Bezüge der Firma Topf & Söhne zu Wiesbaden erschließen.
An der Seite von Frau Schüle begrüße ich herzlich Frau Rebekka Schubert: Seit vielen Jahren verantwortlich für Museumspädagogik und Vermittlung am Erinnerungs- und Gedenkort Topf & Söhne in Erfurt brachte sie bereits viele Jahre und Vermittlungs- und Erinnerungsarbeit in der Gedenkstätte KZ Buchenwald mit: Mit den beiden Damen haben wir daher ausgewiesene Expertinnen der aktuellen Gedenk- und Erinnerungskultur bei uns zu Gast! Beide Damen haben heute Nachmittag bereits eine Lehrerfortbildung hier im Marktkeller zur Sonderausstellung durchgeführt! Dafür noch einmal von meiner Seite aus ein herzlicher Dank an sie beide.
Und aus Mainz, wo die Ausstellung bis vor Kurzem zu sehen war, begrüße ich ganz herzlich Herrn Martin Steinmetz, der im Kulturamt der Stadt u. a. die Projekte Mahnen und Gedenken leitet. Ich möchte dies mit einem herzlichen Dank an Sie für die sehr gute Zusammenarbeit über den Rhein hinweg verbinden: Die Übergabe Ausstellung war perfekt vorbereitet!
Aus Wiesbaden freue ich mich sehr, dass Herr Axel Imholz, Kulturdezernent der Stadt sowie unser Kulturamtsleiter Herr Jörg-Uwe Funk anwesend sind.
Außerdem darf ich herzlich eine ganze Reihe unserer Kooperationspartner bzw. Vertreter/-innen derselben begrüßen, die zum Teil unser Begleitprogramm mit Vorträgen, Film- und Diskussionsabenden bereichern: Sie finden diese in unserem Flyer.
Namentlich nennen und begrüßen möchte ich Frau Dr. Streich, Direktorin des Stadtarchivs. Mit großem Bedauern entschuldigen lässt sich Dr. Axel Ulrich, der Experte des Stadtarchivs für die NS-Zeit in Wiesbaden, der uns auch aus rein persönlichem Anliegen wertvolle Hinweise zur Befassung mit dem Thema in Wiesbaden gab und selbstverständlich ebenso mit zwei Veranstaltungen das Begleitprogramm bereichert.
Ein weiterer wichtiger Kooperationspartner sind das Aktive Museum Spiegelgasse sowie die jüdische Gemeinde Wiesbadens. Herrn Landauer und Herrn Gutmark als deren Vertreter und Sprecher darf ich ebenfalls herzlich begrüßen und zu Guter Letzt auch die Caligari FilmBühne mit Frau Steiger nicht vergessen.
Dass sie heute Abend gekommen sind, zeigt, dass die Zusammenarbeit nicht nur auf dem Papier gut funktioniert, sondern dass persönliches Interesse am Thema selbst und an der guten Zusammenarbeit besteht! Und darüber bin ich sehr froh!
Denn zum einen möchten wir ja das sam als wichtige kulturgeschichtliche Plattform der Stadt Wiesbadens und der Region für die Bevölkerung etablieren.
Zum anderen möchten wir uns weiterhin und zukünftig als zuverlässiger Netzwerkpartner für die kulturellen Institutionen, Vereine und Bildungseinrichtungen Wiesbadens und darüber hinaus präsentieren.
Dass die heutige Eröffnung eine so große Resonanz findet, spiegelt wie ich meine auch wieder, dass ein Thema aufbereitet wird, das in der Holocaust-Forschung bisher nie wirklich detailliert untersucht wurde: Die Frage nämlich nach den Zusammenhängen von Wirtschaftsunternehmen und Holocaust im NS-Regime und der Verantwortung Einzelner – eine Thematik, die auch aktuelle Fragen nach der individuellen Verantwortung in und für unsere Gesellschaft heute anspricht.
Die detaillierte wissenschaftliche Aufarbeitung von historischen Dokumenten, von Notizen und Aufträgen und die Vorstellung von Einzelporträts von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Firma Topf und Söhne macht es möglich, dass die Fragestellung nach Mitwissen, Mitschuld, nach Verantwortung keine distanzierte und pauschale ist, sondern sehr konkret von jedem Besucher, jeder Besucherin der Ausstellung nachvollzogen werden kann – es betraf alle Mitarbeitenden von der Sekretärin über die Ingenieure bis hin zu den Firmenchefs. Man kann seine eigenen Schlüsse ziehen. Jedoch kommt niemand um die Erkenntnis herum, dass es sich nicht ausschließlich um fanatische Anhänger der NS-Diktatur handelte, die die Massenvernichtung unschuldiger Menschen möglich machten.
Es geht darum aufzudecken, wie sich die Industrie und Einzelne dort Beschäftige am Holocaust beteiligten und ihre Vorteile daraus zogen – Vorteile unterschiedlichster Art – oder sich daran bereicherten und damit den Massenmord unterstützten oder sogar möglich machten, häufig tatsächlich ohne Zwang oder Druck. Wie gingen Einzelne mit Handlungsspielräumen um? Nutzte man diese? Schöpfte man Sie aus?
Die Sonderausstellung in ihrer ausgezeichneten Aufbereitung macht nicht nur nachdenklich – sie macht sehr betroffen. Und Sie trägt dazu bei, sich seiner eigenen Verantwortung in unserer Gesellschaft heute bewusst zu werden:
Der Gedenk- und Lernort Topf & Söhne in Erfurt steht für das „Erinnern für Gegenwart und Zukunft“ – wie eine Kapitelüberschrift in der Begleitbroschüre in Erfurt heißt.
Dies ist mit einer der Gründe, warum die Dauerausstellung in Erfurt im ehemaligen Verwaltungsgebäude der Firma bereits 2014 mit dem Museumspreis der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen bedacht wurde.
Die Sonderausstellung, die wir nun bei uns haben, wurde ausgehend vom Gedenkort in Erfurt 2017 erarbeitet und erstmals im KZ-Gedächtnisort Auschwitz-Birkenau eröffnet. Wiesbaden ist nach Mainz erst die dritte Station. Das Besondere: Das Stadtmuseum ist ein öffentlicher Raum mitten im Herzen der Gesellschaft.
Bereits vor vielen Jahren hatte sich das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst dafür eingesetzt, dass die Vorläufer- Ausstellung zu Topf & Söhne auch in Wiesbaden gezeigt würde. Dr. Blisch stellte im vergangenen Jahr die Weichen für die Ausleihe der neu konzipierten Präsentation und ich freue mich sehr, dass uns nun die Umsetzung gelungen ist – noch dazu mit den zahlreichen Wiesbadener Kooperationspartnern.
Zum Begleitprogramm:
Es war mir persönlich wichtig, in das Begleitprogramm nicht nur Vorträge und Veranstaltungen aufzunehmen, die speziell aus Anlass der Ausstellung stattfinden. Es war mir wichtig, auch auf Veranstaltungen und Aktivitäten in der Stadt Wiesbaden zu verweisen, die sich schon lange intensiv für das Erinnern und gegen das Vergessen der Gräueltaten des Nationalsozialismus in Wiesbaden einsetzen, und die wir Ihnen damit – auch für die Zeit nach der Ausstellung – unbedingt ans Herz legen wollen. (Dies zeigt Ihnen ein Blick in den Ausstellungsflyer.)
Gerade für heranwachsende Schülerinnen und Schüler bietet die Beschäftigung mit der Firmengeschichte von Topf & Söhne im Rahmen des Geschichtsunterrichts eine alternative Möglichkeit der Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Daher haben wir das ausgezeichnet aufbereitete Begleitmaterial für Lehrkräfte zur Ausstellung sehr gerne von Erfurt aufgegriffen und bieten zwei Lehrerortbildungen an.
Zugleich möchten wir aber auch die bereits sehr engagierte Geschichtsarbeit der ansässigen Schulen unterstützen. Und so haben wir das Projekt der Stolpersteine-App des Campus Klarenthal, das in Zusammenarbeit mit dem Aktiven Museum Spiegelgasse entstand, mit ins Programm aufgenommen. Die Schülerinnen und Schüler werden die App erstmals am 27. August im Rathaus präsentieren und am 16. Oktober nochmals im sam mit anschließendem Stadtrundgang vorstellen. Die App soll dann in nochmals überarbeiteter Form im sam für unsere Besucherinnen und Besucher nutzbar sein.
Die Vermittlungsarbeit lag uns bei dem Thema der Ausstellung besonders am Herzen. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen Frau Dr. Schüle bedanken: Trotz eigener Sonderausstellungen und Projekte in Erfurt haben Sie unsere zahlreichen Fragen seit dem Frühjahr geduldig und sehr hilfreich beantwortet. Sie haben unsere Vorbereitungen begleitet, wir durften Sie in Erfurt besuchen und uns selbst ein Bild vom Gedenk- und Lernort machen und haben hier wertvolle Einblicke in ihre Vermittlungsarbeit des Themas erhalten, die wir hier, hoffe ich, annähernd so kompetent weitergeben werden, als Multiplikatoren für das Erinnern in Gegenwart und Zukunft. Der Dank des museumspädagogischen Teams des sam gilt natürlich in gleichem Maße Frau Rebekka Schubert!
Nun hatten wir mit der Wanderausstellung als Museumsteam lange nicht so viel Arbeit wie mit einer selbst erstellten Ausstellung und so konnten wir unsere Kräfte auf die Organisation des Rahmenprogramms konzentrieren. Dies, sowie die Organisation des Aufbaus und die Erstellung der Werbematerialien lag und liegt verantwortlich in der Hand unserer wissenschaftlichen Volontärin des sam – Carolin Falk. Vielen Dank dafür! Das Ergebnis spricht für sich. In den Dank möge sich das gesamte Museumsteam eingeschlossen sehen.
Wir hoffen nun, dass wir in Wiesbaden im sam mit der dritten Station für die Wanderausstellung unseren Beitrag zu einer „internationalen Erinnerungskultur“ – wie es Bodo Ramelow, Ministerpräsident des Freistaats Thüringens, 2017 bei der ersten Eröffnung im staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau formulierte – leisten können.
An dieser Stelle mein persönlicher Dank an Oberbürgermeister Sven Gerich, der in diesem Sinne die Schirmherrschaft für die Wanderausstellung in Wiesbaden sehr gerne übernommen hat.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und darf das Wort zunächst an Frau Kathrin Hoyer, Kulturdezernentin Erfurts, weiterreichen:
Vielen Dank für Ihr Kommen, Frau Hoyer!