Tobias Knoblich: Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung "Industrie und Holocaust" in der Gedenkstätte Auschwitz

22.03.2017 13:00

"Erfurt und Oświęcim verbindet eine Geschichte, die in ihrer Unmenschlichkeit und Grausamkeit irritierender nicht sein könnte."

Tobias J. Knoblich, Kulturdirektor der Landeshauptstadt Erfurt

Foto: Dr. Tobias J. Knoblich, Kulturdirektor der Landeshauptstadt Erfurt Foto: © Stadtverwaltung Erfurt, Staatskanzlei Thüringen

Sehr geehrter Herr Kacorzyk,
sehr geehrter Herr Chwierut,
sehr geehrter Herr Pilch,
sehr geehrter Herr Generalkonsul Dr. Groß,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Ramelow,
sehr geehrter Herr Dr. Hördler,
sehr geehrter, lieber Herr Professor Schramm,
sehr geehrter Herr Dr. Deselaers,
sehr geehrter Herr Heubner,
sehr geehrter Herr Topf,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich überbringe Ihnen die Grüße des Erfurter Oberbürgermeisters Andreas Bausewein, aber natürlich auch meine eigenen.  Die Landeshauptstadt Thüringens ist dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau sehr dankbar, dass die Ausstellung unseres Erinnerungsortes Topf & Söhne hier in Oświęcim gezeigt werden kann. 

Erfurt und Oświęcim verbindet eine Geschichte, die in ihrer Unmenschlichkeit und Grausamkeit irritierender nicht sein könnte. Sie sehen hier in der Ausstellung Firmendokumente aus Erfurt, die auf den ersten Blick alltäglich sind:  Geschäftsbriefe, Telefonnotizen, Arbeitszeitnachweise und Pläne. Es geht um technische Anlagen, die konstruiert, produziert, geliefert und in Betrieb genommen wurden. Diese Aufgaben erledigten Ingenieure und Monteure der Firma J. A. Topf & Söhne in Erfurt und hier vor Ort in Oświęcim, das die deutschen Besatzer in Auschwitz umbenannt hatten. Oft fuhren die Erfurter Mitarbeiter hierher, und ich muss gestehen, dass ich als Nachgeborener mit sehr gemischten Gefühlen, vor allem aber beschämt über die Gedankenlosigkeit der Menschen damals hierher aufgebrochen bin.

Das zutiefst Verstörende ist: Diese Anlagen brachten keinen technischen Fortschritt, verbesserten nicht das Leben der Menschen, wie es Ingenieurskunst eigentlich anstrebt. Die in Erfurt entwickelten Anlagen dienten allein der Vernichtung von Menschen und der Beseitigung der Spuren dieses Großverbrechens.

Als Stadt Erfurt ist es uns nicht leichtgefallen, uns diesem historischen Erbe angemessen zu stellen. Es ist leichter, stolz auf die Geschichte seiner Region oder seines Landes sein zu können, als sich einzugestehen, dass sich ein renommiertes und weltweit erfolgreiches Unternehmen aus der eigenen Stadt in eine Geschäftspartnerschaft mit der SS begab und zum Helfer am Völkermord wurde. Aber diese Taten sind evident, und wir zeigen seit reichlich sechs Jahren im ehemaligen Verwaltungsgebäude von Topf & Söhne, wie hier Verbrechen industriell unterstützt worden sind. Dies tun wir nicht nur mit Hilfe unserer Dauerausstellung, sondern auch und vor allem durch ein vielseitiges Veranstaltungsprogramm und eine hervorragende Gedenkstättenpädagogik.

Vor über 70 Jahren sind Erfurter Bürger hierher gereist, um ein mörderisches deutsches Regime zu unterstützen, dem Polen, Juden und Sinti und Roma aus ganz Europa zum Opfer fielen. Heute sind wir, eine Erfurter Bürgerdelegation, hier, um die Verantwortung für diesen Teil unserer Stadtgeschichte zu übernehmen und unseren  Beitrag in einem Dialog des Erinnerns über alle nationalen und kulturellen Grenzen hinweg zu leisten – im würdigen Gedenken an die Opfer, in der Auseinandersetzung mit der Schuld der Täter und im Willen, gemeinsam an einer  Zukunft des Respekts und der Menschlichkeit zu arbeiten.

Erlauben Sie mir abschließend noch Dank zu sagen für die Herstellung dieser Wanderausstellung: für die großzügige Förderung des Freistaats Thüringen und der Staatsministerin für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt. Ich danke der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, auf deren Arbeit sowohl der Erinnerungsort als auch die jetzige Wanderausstellung aufbaut. Und ich danke meinen Mitarbeiter/-innen um Frau Dr. Schüle, die auf hohem wissenschaftlichem Niveau und mit großer Ernsthaftigkeit an diesem Projekt gearbeitet haben. Ohne sie und das Engagement des Förderkreises um Rüdiger Bender wären wir nie in der Lage gewesen, international zu wirken.

Danke.