Thüringer Allgemeine: Erfurter Ausstellung in Auschwitz – am Ort der Schuld
von Elena Rauch
Oswiecim. Jemand hat auf den Steinen zwei Rosen niedergelegt. Rot und weiß, die polnischen Farben. Auf den Ruinen der Todesfabriken von Auschwitz, die SS hatte sie beim Abzug gesprengt, doch die Umrisse des Raums kann man gut ahnen.
1000, manchmal 1500 Menschen, wurden hier im Gas ermordet. Etwa 15 Minuten dauerte ihr Sterben. Noch einmal 30 bis 45 Minuten, bis ihre Körper in den Öfen verbrannten. Industriemäßiges Morden. Effektiviertes Morden. Dank ingenieurtechnischer Leistung, die, gern und willig, 670 Kilometer von diesem Ort entfernt, in Auftrag genommen, entwickelt, gebaut und prompt geliefert wurde.
Ab 1942 baute Topf & Söhne nicht nur die Öfen von Auschwitz, die Firma stattete auch die Gaskammern mit Belüftungstechnik aus. Ganz selbstverständlich, ganz banal und ohne Scham.
Seit sieben Jahren bezeugt der Erinnerungsort Topf & Söhne in Erfurt diese Mittäterschaft am Massenmord. Und seit Mittwoch auch an dem Ort, wohin die bestellte Todesmaschinerie geliefert wurde. Wo sie unter Aufsicht Erfurter Ingenieure eingebaut und erprobt wurde, bevor sie zum Einsatz kam. Die Gedenkstätte Auschwitz ist der erste und der gewichtigste Ort, an dem die Wanderausstellung gezeigt wird.
Aus anfänglicher Ignoranz wurde Mittäterschaft
Welche Bedeutung diesem Umstand beigemessen wird, zeigt das Teilnehmerprotokoll der Eröffnungszeremonie: Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), der zu Gesprächen in Krakow weilte, Vertreter der Gedenkstätte Auschwitz, der Präsident der Stadt Oswiecim, Janusz Chwierut. Er erinnerte daran, dass die Stadt im Spätsommer 1939 noch ein kleiner unbekannter Ort war, von den etwa 15.000 Einwohnern waren 8000 Juden. Jetzt sei die Stadt auf alle Zeit ein Symbol für die düsterste Seite der menschlichen Natur. Ein Ort, der das Gedenken daran zu bewahren habe. Zwei Millionen Menschen kommen jedes Jahr hierher.
Auf 35 Tafeln, den Zeichentischen der Erfurter Ingenieure nachempfunden, wird nun in der ehemaligen Wäschereibaracke von Auschwitz die Geschäftspartnerschaft des Mordens dokumentiert. Der Erfurter Erinnerungsort versteht sich auch als Forschungsstätte. Die Ausstellung, die die Mittäterschaft deutscher Ingenieure und Geschäftsleute am Holocaust thematisiert, ist in dieser Ausrichtung singulär, so der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde, Reinhard Schramm. Sie zeigt, dass der Holocaust nicht ein Verbrechen Einzelner war, sondern sich auf ein komplexes System von Mittätern stützen konnte. Die Wirtschaft und die Intelligenz eingeschlossen.
Reinhard Schramm gehört zu einer Delegation Erfurter Bürger, die ebenfalls zur Eröffnung nach Auschwitz gereist ist. Unter ihnen auch Annegret Schüle, die Leiterin der Erfurter Erinnerungsstätte. Was in Auschwitz geschah, so die Kuratorin, das haben auch Techniker von Topf & Söhne gesehen. Zum Teil über Monate hielten sie sich in Auschwitz auf, Sie erinnerte daran, dass von März bis Juni 1943 all vier Krematorien und Gaskammern in Auschwitz-Birkenau gebaut wurden und mit Technik aus Erfurt ausgestattet wurde, die das Massenmorden perfektionierte. Weder Zwang noch Unwissen, so Annegret Schüle, könnten als Erklärung für die Mitwirkung der Erfurter Techniker angeführt werden. Aus anfänglicher Ignoranz wurde Mittäterschaft.
Zur Eröffnung der Wanderausstellung startete auch eine von der Erinnerungsstätte konzipierte Form des Austausches: Ein internationaler Web-Dialog, der das Medium der jungen Generation für die Erinnerungskultur nutzen will. Und pünktlich seit gestern ist auch ein weiteres Projekt Thüringer Erinnerungsarbeit zugänglich: Die vom Weimarer Dreieck getragene Dokumentation von Zeitzeugen des Holocaust, darunter die Erinnerungen der Auschwitz-Überlebenden Eva Pusztai.
Auschwitz, sagte am Mittwoch Janusz Chwierut, ist nicht nur Mahnung, sondern auch eine Lektion.
Fotos:
Eine undatierte Aufnahme zeigt einen Häftlingstransport aus Ungarn, der im Lager Auschwitz eintrifft. Mindestens 1,1 Millionen Menschen kamen in Auschwitz ums Leben. Erfurter Ingenieure und Techniker der Firma Topf & Söhne entwickelten die Verbrennungsöfen. Archiv-Foto: dpa
Der "Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz" am Sorbenweg in Erfurt ist Denk- und Mahnmal zugleich. Foto: Dietmar Grosser