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Das „Verbrechen ohne Namen“. Geschichte und Vermächtnis der frühen Holocaustforschung
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Fortbildung mit Thillm.-Nr. 268201101
Nach der Befreiung im Jahr 1945 finden sich die wenigen Überlebenden der Shoah am Rande des Abgrunds wieder: Sechs Millionen Jüdinnen und Juden wurden ermordet. Die Lebenswelten und das kulturelle Umfeld der Überlebenden waren zerstört. In dieser Situation fühlten sich die Protagonistinnen und Protagonisten der ersten Generation der Holocaustforschung zum Handeln aufgerufen. Sie fragten sich, wie sie der Ermordeten gedenken können. Gibt es einen angemessenen Weg, um an die ungezählten Toten und die ausgelöschten Gemeinschaften zu erinnern, ihnen ihre Namen und ihre Würde wiederzugeben?
Neben historischer Aufklärung und der Erinnerung an die Opfer war die Strafverfolgung der Verbrechen der Deutschen und weiterer Tatbeteiligter eine der Hauptmotivationen für die
frühe Beschäftigung mit dem Holocaust. Die erste Generation der Forscherinnen und Forscher wollte die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Überlebende sammelten deshalb Aussagen von Zeuginnen und Zeugen, aber auch Dokumente der an Morden und Deportationen beteiligten Behörden. Zum Teil dokumentierten sie das historische Geschehen direkt an den Tatorten, den Vernichtungslagern und anderen Mordstätten. Auf diese Weise trugen sie dazu bei, Gerichtsprozesse vorzubereiten.
Die neue Sonderausstellung am Erinnerungsort Topf & Söhne „Verfolgen und Aufklären. Die erste Generation der Holocaustforschung“ verändert den Blick auf die Geschichte der Holocaustforschung und der Erinnerungskultur zu den nationalsozialistischen Verbrechen. Sie bricht mit der gängigen Vorstellung, dass die Holocaustforschung erst in den 1970er Jahren entstanden sei. Sie zeigt die Widerstände gegen die Erinnerung auf und lädt damit ein, die Kontinuität der Verharmlosung und Leugnung bis zu den aktuellen Diskursen der Normalisierung des Rechtsextremismus zu reflektieren.
Im ersten Teil der Fortbildung stellt Dr. Anna Corsten-Neidigk die Grundzüge in der Entwicklung der Holocaustforschung von 1944 bis heute vor. Die Historikerin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Neueste Geschichte/Zeitgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Anschließend wird in einem Rundgang die Sonderausstellung „Verfolgen und Aufklären. Die erste Generation der Holocaustforschung“ vorgestellt. Sie setzt Leben und Arbeit von zwanzig Pionierinnen und Pionieren einer frühen, interdisziplinären und methodisch fundierten Aufklärung ein Denkmal. Ihre Arbeit fand unter widrigsten Bedingungen im Chaos der Kriegs- und Nachkriegsjahre und im Angesicht des schmerzhaften Verlustes ihrer Angehörigen und ihrer Heimat statt. Von ihrer gleichgültigen und ablehnenden Umwelt gemieden, schufen sie die Grundlagen für die universelle Anerkennung des Holocaust als Menschheitsverbrechen.
In der Führung werden Angebotsformate und methodische Zugänge in der historisch-politischen Bildungsarbeit mit der Ausstellung vorgestellt sowie Impulse für die Einbindung in den Unterricht gegeben. Angesichts der zunehmenden Distanz zur Zeit des Nationalsozialismus und den aktuellen Tendenzen zur Verklärung und Verdrängung der damaligen Verbrechen kann die Ausstellung Jugendliche zur Reflektion darüber anregen, dass das Erinnern historisch gegen die Täter erstritten wurde und heute gegen die aktuellen Gefährder von Demokratie und Rechtsstaat verteidigt werden muss.
In Zusammenarbeit mit
Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung
und Medien