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82 Jahre nach der Deportation der Sinti und Roma aus Erfurt nach Auschwitz-Birkenau
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Die Führung nimmt die Mittäterschaft von Topf & Söhne am Völkermord an Sinti und Roma in den Blick
Bereits vor 1933 waren die im Deutschen Reich lebenden Sinti und Roma gesellschaftlich diskriminiert und durch staatliche Verordnungen in ihren Freiheitsrechten beschränkt. Mit der Durchsetzung des Nationalsozialismus radikalisierte sich die staatliche Repression zur rassistischen Verfolgung. Gezielt wurden Sinti und Roma aus dem öffentlichen Leben gedrängt und ab Mitte der 1930er Jahre in Zwangslagern festgehalten. Vom nationalsozialistischen Programm der Zwangssterilisation waren sie im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung weitaus häufiger betroffen. Ab Dezember 1938 wurden die im Deutschen Reich lebenden Sinti und Roma systematisch kriminalpolizeilich erfasst und den menschenverachtenden „rassenbiologischen“ Untersuchungen der sogenannten „Rassenbiologischen Forschungsstelle“ ausgesetzt. Ziel dieser Untersuchungen war, die angebliche „Rassenzugehörigkeit“ der Betroffenen zu bestimmen, um ihnen dadurch eine vermeintlich biologisch begegründete „kriminelle Veranlagung“ nachzuweisen.
In Folge des deutschen Überfalls auf Polen am 1. September 1939 und dem damit verbundenen Beginn des Zweiten Weltkriegs planten die Nationalsozialisten, alle im Reich lebenden Sinti und Roma in Zwangsarbeitslager nach Polen zu deportieren. Erste Deportationen wurden 1940 durchgeführt. Die meisten Sinti und Roma wurden in Folge des Befehls von Heinrich Himmler im Dezember 1942 im Frühjahr 1943 nach Auschwitz-Birkenau verschleppt. Auch die Erfurter Kriminalpolizei deportierte dorthin am 2. oder 3. März 1943 Sinti und Roma vom Nordbahnhof, welche sie vermutlich seit Ende 1939 in einem Zwangslager am Rasenrain im Erfurter Norden festgehalten hatte.
In Auschwitz-Birkenau richtete die SS einen eigenen Sonderabschnitt für Sinti und Roma ein, das sog. „Zigeunerfamilienlager“. Von den rund 23.000 nach Auschwitz-Birkenau deportierten Sinti und Roma, darunter ein Drittel Kinder unter 14 Jahren, starben rund 70 Prozent an den katastrophalen hygienischen und gesundheitlichen Bedingungen im Lager. In einer Vernichtungsaktion in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 ermordeten SS-Angehörige die im Lager verbliebenen 4.300 Sinti und Roma in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau. Die Forschung konnte die Zahl von 220.000 in ganz Europa von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma nachweisen. Da die Erkenntnisse zu den Opfern in der besetzten Sowjetunion sehr lückenhaft sind, wird die Zahl der Todesopfer insgesamt auf bis zu 500.000 Sinti und Roma geschätzt.
Die thematische Führung durch die Dauerausstellung Techniker der „Endlösung“ nimmt die Mittäterschaft der Firma J. A. Topf & Söhne an dem Völkermord an Sinti und Roma im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in den Blick. Das Erfurter Unternehmen stellte der SS leistungsstarke Öfen für die Beseitigung der Leichen zur Verfügung und zögerte nicht, technische Lösungen zur „Optimierung“ des Mordens in den Gaskammern zu liefern.