Nieder mit Hitler! Oder warum Karl kein Radfahrer sein wollte
Die außergewöhnliche Geschichte der Widerstandsgruppe der Erfurter Handelsschüler ist erst vor wenigen Jahren in das öffentliche Bewusstsein geholt worden. Jochen Bock, Joachim Nerke, Karl Metzner, Helmut Emmerich und Gerd Bergmann waren fünf Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren, die 1943 verbotene ausländische Radiosender hörten, Antikriegsparolen auf Schutzhütten im Steigerwald schrieben und Flugblätter verteilten, in denen sie zum Widerstand gegen das NS-Regime aufriefen und den Krieg verurteilten. Sie wurden verraten und verhaftet. Bis zu ihrer Verurteilung im Juni 1944 waren sie in Erfurt in der Haftanstalt in der Andreasstraße eingesperrt. Jochen Bock bekam die längste Haftstrafe und starb bereits 1947 vermutlich an den Folgen der Haft.
Seit 2014 vergibt der Förderkreis Erinnerungsort Topf & Söhne e.V. gemeinsam mit der Martin-Niemöller-Stiftung den Jochen-Bock-Preis. Er ehrt mit diesem Preis an einem Ort der Mittäterschaft, dem ehemaligen Firmengelände von J. A. Topf & Söhne, Menschen, die die "Bürgerpflicht zum Neinsagen" (Fritz Bauer) gegen Antisemitismus, Antiziganismus und jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in ermutigender Weise wahrgenommen haben.
Seit 2015 wurden in einem mehrjährigen Kooperationsprojekt des Erinnerungsortes Topf & Söhne, der Universität Erfurt, der Stiftung Ettersberg, Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße und der Friedrich-Ebert-Stiftung die Geschichte von Studierenden unter Leitung von Prof. Dr. Christiane Kuller, Dr. Annegret Schüle und Dr. Jochen Voit erforscht und in einem Buch der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen veröffentlicht. Es entstanden ein 25-minütiger Film und nun – nicht nur für Jugendliche – eine Graphic Novel als moderne künstlerische Auseinandersetzung mit einem wichtigen Teil der Erfurter Geschichte. Im Zentrum steht Karl Metzner, das einzige noch lebende Mitglied der Widerstandsgruppe.
Der Inhalt der Graphic Novel: 1943 tippt Karl Metzner Flugblätter gegen die Nazis. 20 Jahre später erinnert er sich an die todesmutige Aktion, während er einem Vernehmer der Stasi gegenübersitzt. Eine wahre Erfurter Geschichte über Freundschaft und Verrat und das Leben in zwei Diktaturen.