Versteckt und gerettet in Thüringen
Neuer Kontakt zwischen Geretteten und Rettern
Die zu Ende gehende Sonderausstellung Entkommen? 1942–1945. Berlin und Thüringen zeigt, wie der Nationalsozialismus die Familien, die Kultur und das Leben der jüdischen Bürgerinnen und Bürger zerstörte. Die Ausstellung erinnert auch an das besondere Schicksal der wenigen Verfolgten, die sich einer Deportation mit Hilfe nicht-jüdischer Deutscher entziehen konnten und würdigt den Mut der Retter und der Geretteten.
Rivkah Piork erzählte im Filminterview für die Ausstellung erstmals öffentlich ihre Geschichte. An ihrem dreizehnten Geburtstag im Februar 1943 erhielt die dreiköpfige Leipziger Familie den Befehl zur Deportation in das Ghetto Theresienstadt wenige Tage später. Noch in der Nacht brachen sie heimlich ins thüringische Tautenhain auf, das sie von früheren Urlauben her kannten. Richard Büchner, der stellvertretende Bürgermeister des Dorfes, und seine Frau Frieda waren spontan bereit, die Familie bei sich zu verstecken. Rivkah und ihre Eltern lebten 26 Monate in einer 6 m² großen Kammer im kleinen Bauernhof der Büchners und hatten außer zu ihren Helfern mit niemandem Kontakt.
Nach Kriegsende riss die Verbindung zwischen den Familien der Geretteten und der Retter ab. Erst die Neugier der Enkelin von Rivkah Piork brachte die Familien nach über 50 Jahren wieder zusammen. Jetzt erst erfuhren die Nachkommen von Frieda und Richard Büchner vom Mut ihrer Großeltern. Rachel Schneider ist sich bewusst, dass sie und ihre Kinder ohne die Zivilcourage des Ehepaars Büchner nicht existieren würden. Der 1939 geborene Peter Sörgel kann sich daran erinnern, dass er in den letzten Kriegsjahren nicht mehr bei seinen Großeltern übernachten und dort nicht auf dem Dachboden spielen durfte – warum, wurde ihm damals nicht gesagt. Der Historiker Dennis Riffel erforschte das Thema Judenrettung und fragt, wie sich die Gesellschaft daran erinnerte und warum die Helfer selbst solange schwiegen.