Kicker, Kämpfer, Legenden
Eine Ausstellung des Centrum Judaicum, ergänzt durch Beispiele aus Thüringen
Vor 150 Jahren kam der moderne Fußball aus England auf den europäischen Kontinent, zunächst in die Schweiz, dann nach Deutschland. Dort gab es viel Widerstand gegen diese "englische Krankheit" der "Fusslümmelei". In den Schulen dominierte die deutsche Turnbewegung. Fußballspielen wurde zunächst verboten.
Schon von seinem Ursprung her international, wurde der Fußball zur Leidenschaft vieler deutscher Juden, die im 1871 gegründeten Kaiserreich erstmals Bürgerrechte erhielten. Der Name "Deutscher Fußballbund" für den 1900 in Leipzig gegründeten Dachverband, an dem auch der Sport-Club Erfurt (Vorgänger vom FC Rot-Weiß Erfurt) beteiligt war, stammt von Walther Bensemann, Sohn eines jüdischen Bankiers und leidenschaftlicher Fußballspieler. 1920 rief dieser begnadete Sportjournalist die Fußballzeitschrift Der Kicker ins Leben und war bis 1932 ihr Chefredakteur. Der englische Name Kicker war Programm für den Kosmopoliten. Für ihn war Sport "vielleicht das einzig wahre Verbindungsmittel der Völker und Klassen". Auch an der Gründung des Karlsruher FV, damals einer der erfolgreichsten deutschen Vereine, war Bensemann beteiligt. Legendär waren die beiden jüdischen Spieler Gottfried Fuchs und Julius Hirsch, die als Stürmer 1910 den Karlsruher FV zum deutschen Meister machten.
Die Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden" zeigt an diesen und vielen weiteren Beispielen, wie jüdische Spieler, Trainer, Journalisten, Funktionäre und Mäzene den deutschen Fußball populär machten. Sie dokumentiert, wie die Nationalsozialisten diese Tradition zerstörten, indem sie Juden aus den Vereinen ausschlossen, sie in die Emigration trieben oder ermordeten. Walter Bensemann und Gottfried Fuchs verließen Deutschland, beraubt um ihr Lebenswerk. Julius Hirsch wurde 1943 in Auschwitz ermordet.
Nach der Machtübernahme durch Hitler 1933 nahmen die Fußballvereine – oft auf eigene Initiative – "Arierparagraphen" in ihre Satzungen auf. Für die Ausgeschlossenen wurde die jüdische Sportbewegung zum Ort der Selbstbehauptung und gegenseitigen Ermutigung. Auch in Thüringen entstanden ab 1933 erstmals jüdische Sportvereine, darunter in Erfurt, Jena, Gera und Meiningen. Der Erinnerungsort hat ihre Spuren erforscht und dank der der Unterstützung zahlreicher Menschen, Initiativen und Archive in Thüringen und weit darüber hinaus einen eigenen regionalen Ausstellungsteil Vom Platz vertrieben. Juden, Fußball und Nationalsozialismus in Thüringen erarbeitet, der ab 2016 als Wanderausstellung ausgeliehen werden kann.
Die Firmengeschichte von Topf & Söhne bietet einen direkten Bezug zum Erfurter Fußball. Der 1891 in Erfurt geborene Max Machemehl absolvierte bei Topf & Söhne eine kaufmännische Lehre und war später in leitender Stellung unmittelbar am Verkauf der KZ-Öfen und der Lüftungstechnik für die Gaskammern in Auschwitz beteiligt. Max Machemehl war jahrzehntelang, auch zwischen 1933 und 1945, im Sport-Club Erfurt aktiv: als Schiedsrichter, Leiter der Fußballabteilung und stellvertretender Vereinsvorsitzender.
Veröffentlichungen
Faltblatt zur Sonderausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden"
Vor 150 Jahren kam der moderne Fußball aus England auf den europäischen Kontinent, zunächst in die Schweiz, dann nach Deutschland.
Blick in die Ausstellung
Reden zur Ausstellungseröffnung
Tamara Thierbach: Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden"
"Weil Forschung, innovative Ausstellungsarbeit und Pädagogik hier am Erinnerungsort auf sehr gelungene Weise kombiniert werden, gewinnen wir neue hochinteressante Einblicke in unsere Erfurter und Thüringer Geschichte."
Gabi Ohler: Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden"
"Die Geschichte der deutschen Juden im Fußball ist eine Vorgeschichte des Holocaust. Die Sportler wurden ausgeschlossen, isoliert und viele von ihnen wurden ermordet."
Rolf Rombach: Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden"
"Nach dem Zweiten Weltkrieg spielten Juden nie wieder eine vergleichbare Rolle im deutschen Fußball. Ihre Verdienste wurden verdrängt, gerieten in Vergessenheit."
Matthias Stein: Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden"
"Denn der Fußball hat die integrative Kraft, verschiedenste Menschen zusammenzubringen. Fußball ist das Medium, um Werte wie Fairness, Toleranz und Weltoffenheit zu vermitteln. Der Fußball kann aber auch missbraucht werden."
Anselm Hartinger: Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden"
"Und nicht zuletzt ist diese Wanderausstellung vor allem in ihrem Thüringer Teil in eher ungewöhnlicher Weise als eine echte Forschungsausstellung konzipiert."
Annegret Schüle: Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden"
"Mit unserer Ausstellung befinden wir uns an einem Schnittpunkt von zwei Themen, die jeweils für sich allein große Bedeutung haben und viele Menschen interessieren."