Marlene Dietrich. Die Diva. Ihre Haltung. Und die Nazis.
Auch bald 30 Jahre nach ihrem Tod ist der Weltstar Marlene Dietrich immer noch eine populäre Figur. Wer kennt sie nicht als Lola Lola aus dem Filmklassiker "Der blaue Engel" oder hat nicht schon einmal "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" gehört? Bis heute verbinden sich mit ihr viele schillernde Bilder: Sexsymbol und Mutter, Schauspielerin und Sängerin, Ehefrau und Geliebte, Kunstfigur und Stilikone, Weltstar und Diva. Mythen trugen zu ihrem Ruhm bei und überdeckten bisweilen die Wirklichkeit.
Unzählige Ausstellungen und Publikationen rund um den Globus beleuchteten mit höchst unterschiedlichen Perspektiven das Phänomen Marlene Dietrich. Sie machten eine Frau sichtbar, die ihre Zeit verändert hat und nicht nur mit langen Beinen, rauchiger Stimme und laszivem Blick Männern wie Frauen den Kopf verdrehte.
Mit der Ausstellung "Marlene Dietrich. Die Diva. Ihre Haltung. Und die Nazis." hat die Gedenkhalle Oberhausen Marlene Dietrichs Verhältnis zu Deutschland und den Deutschen erstmals über einen Zeitraum von mehr als 60 Jahren anhand zahlreicher Dokumente, Fotos, Presseartikel und Filmmaterialien umfassend rekonstruiert. Wie konnte es dazu kommen, dass die gebürtige Berlinerin zur amerikanischen Staatsbürgerin mit französischem Wohnsitz wurde, die erst ihre letzte Ruhestätte in Berlin fand?
Die Ausstellung skizziert die historische Folie, vor der aus dem zunächst nicht weiter auffälligen Verhältnis von Marlene Dietrich zu ihrer deutschen Heimat ein brisantes Dauerthema wurde. Von entscheidender Bedeutung dafür ist das Jahr 1933. Der Umzug Marlene Dietrichs in die USA 1930 war noch alleine der Arbeit geschuldet. Nach ihrem Durchbruch mit "Der blaue Engel" war sie Regisseur Josef von Sternberg nach Amerika gefolgt und wurde dort von dem Studio Paramount unter Vertrag genommen.
In Hollywood hatte sie eine glänzende Karriere vor sich. Sie lebte ein so exklusives wie emanzipiertes Leben, stand im Mittelpunkt des Interesses der Öffentlichkeit und reiste immer wieder nach Europa, um sich dort von den Dreharbeiten zu erholen. Doch dies änderte sich mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft.
Ein Star wie sie hätte sicher auch im nationalsozialistischen Deutschland seine Karriere fortsetzen können. Und ebenso gewiss hätte sie bedeutend weniger Restriktionen als andere Menschen zu erleiden gehabt. Doch viele der Menschen, die für sie kulturell oder persönlich bedeutsam waren, lebten nicht mehr in diesem Deutschland, konnten dort nicht mehr leben. Und vor allem: Marlene Dietrich stimmte persönlich nicht mit den Nationalsozialisten überein. Sie lehnte die rassistische und völkische, das Individuum nivellierende Ideologie des NS-Regimes ab. Sie kam zu dieser Haltung zu einer Zeit, als sich große Teile der deutschen Bevölkerung zum Träger des totalitären Regimes in Deutschland machten.
Deshalb traf sie im Frühjahr 1933 eine Entscheidung, die sich fortan wie ein roter Faden durch ihr Leben ziehen sollte: Sie ließ sich auf keine Zusammenarbeit mit den Nazis ein und mied in der Folge ihre alte Heimat. Stattdessen unterstützte sie deutsche Emigranten und wurde 1939 aus Überzeugung US-amerikanische Staatsbürgerin. Ab 1942 warb sie Kriegsanleihen für die USA ein. Auch wenn die Gefährdungen für sie geringer waren als für andere, die in Deutschland Widerstand leisteten: Als sie in Europa 1944 als Truppenbetreuerin direkt hinter der Front vor amerikanischen Soldaten auftrat, hätte eine Gefangennahme durch die Deutschen für sie schlimme Folgen haben können.
Nur wenige Deutsche haben bis 1945 den eigenen Anteil am nationalsozialistischen Zivilisationsbruch sehen und nach Kriegsende die Verantwortung für ihre Haltung übernehmen wollen. Diesen Vorwurf brauchte sich Marlene Dietrich nicht zu machen. Indem sie in Israel und andernorts privat Gedenkorte aufsuchte oder an offiziellen Gedenkfeiern teilnahm, zeigte sie, dass ihr die Würdigung der Opfer des nationalsozialistischen Terrors am Herzen lag. Sie engagierte sich gegen Neonazismus und für Frieden und Menschenrechte. Projekte zur Aufklärung und Prävention menschenverachtender Ideologien wie des Nationalsozialismus unterstützte sie persönlich, so zum Beispiel den Dokumentarfilm "Black Fox" von 1962. In den Filmen "Eine Auswärtige Affäre" und "Das Urteil von Nürnberg" spielte sie deutsche Frauen, die das nationalsozialistische System getragen hatten und an dieser Haltung festhielten. Entgegen ihrer eigenen Biografie, im Perspektivenwechsel, fordern diese Figuren filmisch zu einer Auseinandersetzung damit heraus, wie der Nationalsozialismus möglich wurde.
Ihre entschiedene Ablehnung der Nazis und Neonazis nahm man ihr noch im Deutschland der 1960er Jahre übel, insbesondere während ihrer Tournee 1960 wurde sie als "Landesverräterin" diffamiert. Bis in die 1980er Jahre wurde Marlene Dietrich von Alt- und Neonazis bedroht. An ihrer Haltung hat dies nichts geändert. Es ist kein Zufall, dass die hochbetagte Marlene Dietrich zu der fast 40 Jahre jüngeren Beate Klarsfeld und ihrem Mann Serge Mitte der 1980er Jahre Kontakt aufnahm. Dieses französisch-deutsche Ehepaar steht bis heute mit seiner Biografie und seinem Handeln für den Willen, einerseits nationalsozialistische Täter einer juristischen Ahndung ihrer Verbrechen zuzuführen und andererseits der Opfer der nationalsozialistischen Diktatur zu gedenken. Hier fanden Menschen mit einer identischen Einstellung und hohem gegenseitigen Respekt zusammen.
Die Ausstellung "Marlene Dietrich. Die Diva. Ihre Haltung. Und die Nazis." folgt den Lebensspuren einer Frau mit einer bemerkenswerten Haltung, die unter den gegebenen Verhältnissen keineswegs selbstverständlich war und eine besondere Wertschätzung verdient. Sie wurde von der Gedenkhalle Oberhausen mit Unterstützung der Marlene Dietrich Collection Berlin realisiert. Der Erinnerungsort Topf & Söhne zeigt sie in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen.